Mieszko als Piastenfürst
Ende des 9. Jahrhunderts entstand Gniezno (erbaut Anfang des achten Jahrhunderts), ein erstes staatliches Zentrum auf dem heutigen Gebiet Großpolens. Gegründet vom Stamm der Polanen herrschte die Piastendynastie von einer mächtigen Burganlage aus. Viele umliegende Gebiete wurden erobert und dem Verbund einverleibt. Der erste bekannte piastische Fürst (beziehungsweise Herzog, beide Bezeichnungen sind möglich) ist Mieszko, der in den Jahren 960-992 herrschte. Allerdings kann man von wenigstens zwei Vorfahren-Fürsten (beziehungsweise Herzogen) ausgehen.
Im Jahr 963 gelang es Mieszko, militärisch nach Westen vorzustoßen, um sein Land weiter zu vergrößern. Gegen den sächsischen Markgrafen Gero geriet er in ein Abhängigkeitsverhältnis, er wurde tributpflichtig gegenüber dem «Deutschen Reich». Das «Deutsche Reich» hatte bereits vorher versucht, die slawischen Stämme an der Ostsee und der Elbe militärisch zu missionieren. Indem Herzog Mieszko eine böhmische Prinzessin zur Frau nahm (Prinzessin Dubravka, in einigen Quellen «Dobrawa») und sich 965 römisch-katholisch taufen ließ, begab er sich gewissermaßen an die Seite des «Deutschen Reiches» - und des Christentums.
Man kann darin eine frühe Westorientierung von Mieszko sehen, realistisch ist aber vielmehr, dass Mieszko lediglich eine gute Chance sah, sein Reich zu vergrößern und sich bessere Chancen gegenüber den anderen westslawischen Machthabern durch die deutsche Unterstützung zu sichern.
Wichtig: Das Denken in «nationalen Zusammenhängen» entstand erst sehr viel später - im Gegensatz zu heute war nationales Gedankengut kaum bekannt. Die meisten Stämme empfanden sich nicht als Nation und es war ihnen vergleichsweise egal, welcher Zugehörigkeit sie waren.
In jedem Fall kommt diese Entscheidung Mieszkos einer Art «offiziellen Christianisierung» des Landes gleich, weil er dann auch 990 sein Land religiös dem Papst unterstellt hat. Schon vorher, 968, gab es einen Bischof in Polen, der in Poznań seinen Sitz hatte. Unumstritten ist, dass hier Wurzeln von Polens Zugehörigkeit zum Katholizismus liegen. Allerdings lässt sich auch daraus - wie aufgeführt - keine eindeutige Westorientierung ablesen, weil 988 wiederum dem entgegenlaufend eine stärkere Ausrichtung auf das byzantinische orthodoxe Christentum erfolgte. Dies gilt unter den meisten Wissenschaftlern ebenfalls als rein pragmatisch orientierte Machtentscheidung, die sich nicht als Ablehnung des römisch-katholischen Westens interpretieren lässt.